Eintritt in St. Wendel am 14. August 1951
Es war morgens früh, am 14 August 1951, als ich Abschied nahm von meinen noch sieben lebenden Geschwistern. Eigentlich waren wir zehn Kinder, aber Josef fiel schon 1943, an seinem Namenstag, im Krieg in Russland und Alois fiel auf dem Rückzug in Polen im Februar 1945. Fünf ältere und zwei jüngere Geschwister segneten mich mit Weihwasser allen voran meine Mutter. Fast genau achtzehn Monate vorher verstarb mein Vater plötzlich an einem Sonntagmorgen. Durch die langen Jahre als Bergman in der Grube hatte er sich Silikose zugezogen und erlag der heimtückischen Krankheit in der Anwesenheit unserer Mutter und acht seiner noch lebenden Kinder. Jetzt war ich es, erst vierzehn Jahre alt und vier Wochen nach Abschluss meiner Volkschule, der auf Wiedersehen sagte.
Es müssen für Mutter schwere Stunden gewesen sein den Weg zum Bahnhof Fremersdorf und dann die Reise mit dem Zug über Saarbrücken nach St. Wendel zu machen, wo ich an diesem Tag als Kandidat mich der Gesellschaft des Göttlichen Wortes, auch Steyler Missionare genannt, anschloss.
Ich war voller Erwartung und Hoffnung weil für Mutter der Abschied in St. Wendel nahte. Ich hing immer sehr an Mutter und so glaubten eine ganze Reihe von Leuten, unter ihnen auch einige Geschwister, ich würde nicht lange weg bleiben.
Im Missionshaus St. Wendel wurden wir freundlich von meinem zukünftigen Kandidatenmeister, Pater Prinz, empfangen. Mit mir war auch ein Schulkamerad von Harlingen der dasselbe vorhatte wie ich. Seine Mutter war auch mitgekommen. Nach einigen Stunden verabschiedeten sich unsere Mütter und wir waren allein, für damalige Ansichten, weit weg von der Heimat.
Das Einleben ging recht gut und schnell. Mehr als zwanzig junge Leute waren meine Kameraden und so fiel es nicht so schwer sich zurecht zu finden. Der folgende Tag war Feiertag, Maria Himmelfahrt, und so gab es viel Gelegenheit sich alles Neue und Ungewohnte anzuschauen. Ein Jahr der Entscheidung, der Bitte um Aufnahme und die Vorbereitungen waren zu Ende und ein neuer Abschnitt in meinem Leben hatte begonnen.
Es musste vieles gelernt werden, die große Gemeinschaft, die pünktliche Tagesordnung, Morgengebet, Messe, Frühstück, Arbeit, Mittagspause, Arbeitsschluss und dann der Abend mit Erholung und dem großen Stillschweigen das mit dem Abendgebet anfing.
Am zweiten Tag fing die Arbeit an. Wie die meisten anderen wurde ich in die Hausdienerei gesteckt. Das ist die Abteilung die sich um die Sauberkeit des Hauses kümmert. Die Arbeit gefiel mir recht gut und es war auch eine gute Vorbereitung auf das spätere Leben. Während dieser Zeit wurde dann auch geplant in welchem Handwerk oder Arbeit man eingesetzt werden sollte.
Ich hatte von Anfang an mich für das Schneiderhandwerk beworben. Mein Kandidatenmeister war anderer Ansicht. Da mein Abschlusszeugnis von der Volksschule sehr gut war, wollte er mich auf die Kanzlei oder Buchhaltung stecken. Das gefiel mir nicht. Ein Grund war, dass ein anderer Kandidat den ich nicht leiden konnte schon dort war. Ich konnte mir nicht vorstellen wie ich mit dem auf engem Raum zusammen sein konnte. Mein Wunsch wurde dann respektiert und im Oktober fing ich die Lehre in der Schneiderei an. Mein Lehrmeister, Bruder Phillipus, war ein guter Fachmann und er wusste wie er sein Fachwissen weiter geben konnte. Ich machte gute Fortschritte und drei Jahre später bestand ich meine Gesellenprüfung mit einer sehr guten Note.
Die Zeit war auch mit Gelegenheit für Sport und Erholung durchflochten. Weiter gab es Gelegenheit ein Musikinstrument zu erlernen. Ich spielte Violine und dann erlernte ich das Es-Horn und später die Zugposaune. Auch erlernte ich die Grundbegriffe auf dem Harmonium. Die Blaskapelle der Brüder begleiteten die Fronleichnamsprozession, das Wecken des Hauses an Weihnachten und die Gestaltung des Familienfestes und bei andern Gelegenheiten waren wir dabei.
Mit der Gesellenprüfung war dann auch die Zeit gekommen ins Postulat zu gehen. Das war die Vorbereitung zum Noviziat. Ich arbeitete weiter in der Schneiderei und unter der Leitung unseres Postulantenmeisters, Pater Lütkemeyer, war es ein Jahr der Vorbereitung zu einem weiteren wichtigen Schritt in meinem Leben.
Während dieser Jahre, es waren nun schon vier, kam immer wieder Besuch von zu Hause von meiner Mutter, Geschwistern und Freunden. In den drei Jahren als Kandidat bekamen wir auch drei Wochen Heimaturlaub pro Jahr. Das sollte nun aufhören und es sollte eine lange Zeit werden bis ich meine geliebte Heimat sehen sollte.
Es war nicht nur pausenlose Ausbildung im Handwerk oder im spirituellen Leben, sondern es gab auch Freizeit für Sport und andere Hobbies. So waren die Wochen vor Weihnachten oder anderen großen Festen eine Gelegenheit sich in dekorativem Gestalten zu üben. Ich verbrachte meine Freizeit gerne in der Schreinerei um an der Drehbank Kerzenständer und andere Gegenstände zu drechseln. Es war immer eine Freude wenn diese Sachen dann auch Anklang fanden. Es war eine Zeit auf die ich gerne zurück blicke und dankbar bin für alle die sich Mühe machten und in unserem Wachstum zu helfen und beizustehen.